Quilombola-Landtitulierungen in Amazonien unter Bolsonaro weiter gesunken
In den vier Jahren Amtszeit von Jair Bolsonaro wurden der Erhebung von Alma Preta zufolge im Amazonas-Gebiet nur 19 Quilombola-Gemeinschaften demarkiert. Diese Auswertung erfolgte auf Basis der Daten des Nationalen Instituts für Kolonisierung und Agrarreform (Incra), umfasst aber alle Demarkationen, seien sie auf Bundes- oder Landesebene erfolgt. Laut Incra gibt es in ganz Brasilien noch etwa 1.796 offene Verfahren für Quilombos, die auf die offizielle Titulierung ihres Landes warten. Von dieser Gesamtzahl befinden sich 600 im Großraumgebiet des brasilianischen Amazoniens. Im Vergleich dazu wurden in den ersten beiden Amtszeiten von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva (2003-2010) 66 Quilombola-Territorien in Amazonien ausgewiesen und demarkiert. In der Regierung Dilma Rousseff (2011-2016) wurden dort 37 solcher Gebiete in Amazonien demarkiert. Der amazonische Bundesstaat, in denen sich die größte Anzahl von noch nicht demarkierten Quilombola-Gebieten befindet, ist der Bundesstaat Maranhão mit 398 Quilombola-Gemeinschaften, gefolgt von Pará (67), Mato Grosso (58), Amapá (34), Tocantins (33), Rondônia (7) und Amazonas (3).
Der von Staats wegen vorgeschriebene Aberkennungsprozess zur Erlangung der Landtitulierung soll wie folgt ablaufen: Zuerst muss sich die lokale Quilombola-Gemeinschaft als solche selbst-erklären, Belege dafür sammeln und einholen, die die historische Verbindung der Gemeinschaft mit dem Gebiet offenbaren und sich damit an das Institut Palmares wenden, welches damit den Anerkennungsprozess einleitet, indem es die Daten an das Nationale Institut für Kolonisierung und Agrarreform (INCRA) weiterleitet, das seinerseits die Studie zur Erstellung des Technischen Berichts zur Identifizierung und Abgrenzung des Gebiets durchführen soll. Techniker:innen des Instituts werden die gesammelten Daten auswerten und den Abschlussbericht erstellen. Im Falle einer Genehmigung wird das INCRA eine Anerkennungsverordnung veröffentlichen, in der die territorialen Grenzen der Quilombola-Gemeinschaft festgelegt werden. Erst wenn die dort ggf. ansässigen Nicht-Quilombolas das Gebiet verlassen haben und den Quilombolas das Eigentumsrecht zugesprochen wird, erfolgt die Legalisierung des Territoriums. Doch selbst dies garantiert noch nicht, dass nach Titulierung von bspw. 1.000 Hektar auch die gleiche Fläche durch INCRA sofort gegen erfolgte Entschädigung der vorherigen Besitzer:innen dem kollektiven Landtitelgebiet der Quilombolas zugeschrieben wird. Oft sind es nur Teile der ihnen eigentlich zustehenden Flächen, die sie erhalten, und oft müssen die Quilombola-Gemeinschaften jahrelang auf die Umsetzung der Rechtsprechung warten. Es liegt also auch viel an dem politischen Willen der Regierenden.
Derzeit sind der Erhebung von Alma Preta zufolge im Großraumgebiet Amazonien 314 Landtitel für Quilombola-Gemeinschaften ausgestellt, die 1.083.617,9165 Hektar (0,125 % des brasilianischen Territoriums) umfassten und sich aufteilten auf 205 Gebiete mit 355 Gemeinschaften und 20.706 dort lebenden Quilombola-Familien in der Region Amazoniens. Eine Erhebung des brasilianischen Institituts für Statistik IBGE schätzt (auf der Grundlage der letzten Volkszählung von 2010), dass es landesweit 5.972 Quilombola-Gemeinschaften in 1.672 Gemeinden gibt, die in allen Biomen Brasiliens vertreten sind. In diesen Quilombola-Gemeinschaften leben 16 Millionen Menschen. 35 Jahre nach dem Inkrafttreten der brasilianischen Verfassung von 1988 sind nach aktuellem Stand noch immer 1.796 Legalisierungsverfahren für Quilombola-Gebiete auf Bundesebene anhängig. Die Nichtregierungsorganisation Terra de Direitos errechnete bereits 2019, dass die Umsetzung der per Verfassung vorgeschriebenen Landtitulierung aller Quilombola-Gebiete an die 1.000 Jahre dauern würde, wenn es in diesem Tempo weitergehe.