Mannesmann kollaborierte eng mit den Repressionsorganen der brasilianischen Militärdiktatur

Neue Studie belegt die wissende und aktive Mittäterschaft des damaligen deutschen Stahl- und Röhrenriesens Mannesmann an den Menschenrechtsverletzungen der brasilianischen Militärdiktatur
| von Christian.russau@fdcl.org
Mannesmann kollaborierte eng mit den Repressionsorganen der brasilianischen Militärdiktatur
Zitat aus Dreifuss, René Armand (1980) "State, class and the organic elite"

Eine Studie der Rechtswissenschaftlerin und Professorin der Bundesuniversität von Minas Gerais - Universidade Federal de Minas Gerais (UFMG) -, Tayara Lemos, legt erstmal systematisch die Kollaboration des damaligen deutschen Stahl- und Röhrenriesens Mannesmann mit der brasilianischen Militärdiktatur offen und zeigt die Teilhabe des deutschen Multis an den Menschenrechtsverletzungen. Diese Studie, aus der Agência Pública vorab zitiert, wurde finanziert mit Mitteln aus einem außergerichtlichen Vergleich, den die Bundesstaatsanwaltschaft MPF mit der Companhia Energética de São Paulo unterzeichnet hatte, weil das Unternehmen die Bedingungen für die Einrichtung des Staatsparks Rio do Peixe nicht erfüllt hat. Mit den Mitteln dieses außergerichtlichen Vergleich wurden auch Studien zu den Unternehmen Belgo Mineira und Embraer finanziert, während aus den Mitteln des außergerichtlichen Vergleichs der Bundesstaatsanwaltschaften mit Volkswagen do Brasil in den vergangenen drei Jahren dafür genutzt wurden, um die historischen Fälle der Unternehmen "Folha de S. Paulo", "Cobrasma", "Paranapanema", "Docas", "Josapar", "Petrobras", "Fiat", "Aracruz" und "CSN"untersucht werden - alles Fälle, zu denen zeitgleich auch die Staatsanwaltschaften ermitteln.

Laut dem Bericht von Agência Pública zeige der Fall "Mannesmann", wie die Firma (Werkschutz und leitende Angestellte) die Mannesmann-Mitarbeitenden überwachten, ausspionierten, Informationen über diese sammelten und gezielt an die Repressionsorgane der Militärdiktatur weitergab, Mitarbeitende durch Werkspersonal verhaften ließ und die Betroffenen den Repressionsorganen auslieferten, von denen diese dann auch gefoltert wurden. Die Firma erstellte dem Bericht der Wissenschaftlerin zufolge auch sogenannte Sperrlisten, so dass es den auf jenen Listen dokumentierten Arbeiter:innen über Jahre nicht mehr möglich war, irgendwo einen reguläre Arbeitsstelle zu finden. Die Leitung von Mannesmann Brasilien habe engen Kontakt mit den Repressionsorganen gehabt und habe in Momenten des sozialen Protests für sich selbst Sicherheitskräfte als Personenschutz von den Repressionsorganen angefordert. Mannesmann war zudem Mitglied im Instituto de Pesquisas e Estudos Sociais (Ipes), das aktiv auf den Militärputsch von 1964 hingewirkt hatte und welches gemeinsam mit der Obersten Heeres Schule (Escola Superior de Guerra) einen "militärisch-industriellen Komplex" gegen den potentiellen Widerstand aufbauen wollte. Bei einer Anhörung im brasilianischen Senat im August 2013 wurden neben anderen bereits damals die deutsche Mannesmann im Zusammenhang mit Ipes zitiert. Im Rahmen des Ipes wurden bereits damals, also bereits vor dem Militärputsch von 1964, laut dem Agência Pública-Bericht, Geldsammlungen "aus den Privattaschen" der Firmenchefs getätigt, um das Ipes und dessen Aktivitäten zu fördern. Der Wissenschaftler René Armand Dreifuss zitierte bereits im Jahre 1980 in seinem Buch: Dreifuss, René Armand (1980) "State, class and the organic elite" (auf Portugiesisch hier) in Bezug auf die ominöse Finanzierung des Ipes: "Still another source of transnational financial cooperation was the Konrad Adenauer Stiftung, a body of the German Christian Democratic Partty, who contributed through Mannesmann (the giant steel complex) and through Mercedes Benz. Because of the delicacy of the matter, fundraising with multinational corporations operating in Brazil was left to the discretion of a few members of the Integration Group, as was the case with Mannessnann and other similar concerns".(Zitat auf Englisch hier im Original). Der Präsident des Ipes in Sao Paulo war João Baptista Leopoldo Figueiredo, seines Zeichens Vorsitzender der AHK Sao Paulo, ua. auch Prüfungsratsmitglied bei Volkswagen do Brasil und Präsident von Scania do Brasil. João Baptista Leopoldo Figueiredo hat sich persönlich an den Geldsammlungen in Sao Paulo für die Finanzierung und Ausstattung des Folterzentrums OBAN (später DOI-CODI) beteiligt.  (Auch Scania do Brasil (Heute Teil des Volkswagen Konzerns) war in die Repression gegen die brasilianischen Arbeiter:innen verstrickt. Zu Mercedes Benz und der Frage der Kollaboration mit der Militärdiktatur finden sich hier der bislang neueste Stand an Informationen. (Älterer Post bei KoBra hier). Zum noch immer gültigen Stand der Dinge der Frage der Kollaboration von Siemens finden sich die Infos hier.)

Agência Púbica berichtet zudem, dass sie die Rechtsnachfolgerin des Mannesmann-Werkes in Minas Gerais, die franzöische Konzerngruppe Vallourec, um eine Stellungnahme gebeten habe. Die Antwort von Vallourec: "Die Unternehmen der Vallourec-Gruppe haben eine völlig andere Rechtspersönlichkeit und ein anderes Management als die Unternehmen der Mannesmann-Gruppe (derzeit Salzgitter Mannesmann)". Vallourec erklärt zudem in der Mitteilung, dass "es über den Inhalt der von der Bundesanwaltschaft eingeleiteten zivilrechtlichen Untersuchung informiert wurde und, obwohl es das Projekt zu diesem historischen Zeitpunkt nicht leitete, nach bestem Wissen und Gewissen die von den Behörden angeforderten Informationen geliefert hat". Das Unternehmen erklärt zudem, dass es sich "zu Integrität, Transparenz und Respekt gegenüber den Menschen verpflichtet und betont, dass es über eine interne Politik und Leitlinien verfügt, die im Ethikkodex, im Compliance-Handbuch und im Integritätskanal verankert sind". Die Frage nach der verantwortlichen Rechtsnachfolgerin von Mannesmann in Brasilien muss also noch geklärt werden. Denkbar wäre auch, dass als juristische Rechtsnachfolgerin die britische Vodafone zu gelten habe, da diese Mannesmann im Jahr 2000 für den damals höchsten je gezahlten Betrag von 180 Milliarden Euro übernommen und Mannesmann als Konzern aufgelöst, zerschlagen und große Teile veräußert hatte.

// Christian Russau