Veröffentlichung des Agrarzensus von 2006
Als familienlandwirtschaftliche Betriebe gelten in der Untersuchung alle Betriebe von einer Größe unter 4 Fiskalmodulen, deren Arbeitskräfte vorrangig aus der Familie stammen und die den Löwenanteil ihrer Einkünfte aus der landwirtschaftlichen Tätigkeit beziehen. Der Betrieb muss von der Familie selbst geleitet werden.
4,36 Mio Betriebe lassen sich demzufolge der Familienlandwirtschaft zuordnen, 807.000 hingegen sind mittlere und größere Agrarunternehmen. 46.000 (also knapp 6%) dieser Betriebe halten mehr als 1.000 ha, davon 15.000 (das sind 1,9%) mehr als 2.000 ha. Die Landverteilung ist seit 1996 so gut wie unverändert geblieben: Der Gini-Koeffizient der Landverteilung sank um 0,002 auf 0,854. Noch immer werden 46% der Ländereien von einem Prozent der Landbesitzer gehalten.
Dem Agrarzensus zufolge nutzt die Familienlandwirtschaft das Land deutlich produktiver als das Agrobusiness: Zwar verfügt sie lediglich über 24% des insgesamt in Brasilien bewirtschafteten Landes, doch auf diesem Land entsteht 40% der brasilianischen landwirtschaftlichen Produktion. Dementsprechend ist auch die Bodenproduktivität in der Familienlandwirtschaft mit 677 R$ pro ha bedeutend höher als bei den mittleren und großen Produzenten, die nur eine Produktivität von 368 R$ pro ha erreichen.
Bei etlichen Produkten, die vor allem den Grundnahrungsmitteln zuzurechnen sind, liegt die Familienlandwirtschaft außerdem noch deutlich über diesem Schnitt: 87% der landesweiten Maniokproduktion geht auf die Familienlandwirtschaft zurück, des weiteren 70% der Bohnenproduktion. Bei Schweinefleisch, Milch und Geflügel sind es 59%, 58% und 50% der landesweiten Produktion, bei Mais 46%. Andere Produkte, unter denen auch die typischen Exportprodukte sind, liegen hingegen unter dem Durchschnitt: Kaffee 38%, Reis 34%, Rinder 30%, Weizen 21% und Soja 16%. Da die Familienlandwirte weniger exportorientiert produzieren als mittlere und größere Agrarunternehmen, stammen insgesamt 70% der Nahrungsmittel, die auf den brasilianischen Tellern landen, aus der Familienlandwirtschaft.
Der geringere Einsatz von Maschinen reflektiert sich deutlich in einer höheren Arbeitsintensität der familienlandwirtschaftlichen Produktion: Hier entstehen etwa 15 Arbeitsplätze auf 100 ha, während das Agrobusiness nur 1,7 Personen auf 100 ha beschäftigt. Die Einkommenseffekte der Familienlandwirtschaft sind damit breiter als diejenigen im Agrobusiness. Insgesamt arbeiten 74% der landwirtschaftlich Beschäftigten in Familienbetrieben und nur 26% in mittleren und größeren Agrarunternehmen.
Hier zeigt sich, dass eine Landreform und damit eine andere Agrarstruktur die Ernährungssituation in Brasilien revolutionieren könnte: Es würden nicht nur mehr Nahrungsmittel für den internen Konsum produziert, sondern über Einkommenseffekte aufgrund der höheren Beschäftigung würde die Nachfrage nach Nahrungsmitteln zusätzlich angekurbelt, was wiederum weitere Einkommen schaffen würde. Dies hätte unweigerlich auch Auswirkungen auf andere Produktionsbereiche. Ernährungssouveränität bei fortschreitender Entwicklung wäre so erreichbar.
Im September 2009 hatte das IGBE zunächst eine Steigerung des Gini-Koeffizienten der Landverteilung (von 0,856 für 1996 auf 0,872 für 2006) veröffentlicht, und somit hatten viele von einer gestiegenen Ungerechtigkeit der Landverteilung gesprochen. Diese Meldung beruhte allerdings auf einem Berechnungsfehler. Anfang November korrigierte das IBGE seinen Rechenfehler. Der Indikator war de facto leicht gesunken.