236 | Hoch die internationale ...
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Zwei Artikel im portugiesischen Original:
- Solidariedade Internacional e o Movimento de Atingidos/as por Barragens do Brasil: a História de uma Prática Social
- Financiamento de pequenas iniciativas: entre a existência e o potencial criativo
EDITORIAL:
Vor einem Jahr haben wir ein Brasilicum zur Nunca mais! - Bewegung als Antwort auf den 50 Jahre zurückliegenden Beginn der Militärdiktatur in Brasilien herausgegeben. In dieser repressiven Ära erlebten Verfolgte und Unterdrückte aus Brasilien und anderen lateinamerikanischen Ländern Unterstützung von einer Bewegung der Internationalen Solidarität, u.a. in Deutschland. Einige entwicklungspolitische Organisationen hier unterstützen bis heute ein Netz von Partner*innen aus jener Zeit in Brasilien und führen den gemeinsamen Kampf für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte fort.
Auf der Frühjahrstagung 2014 nahm die Idee für dieses Heft ihren Anfang. In der Diskussion mit einer Solidaritätsgruppe über ihre geschichtliche Entwicklung und Zukunftsperspektive wurde deutlich, dass unter postkolonialen Gesichtspunkten manche Aspekte der Solidaritätsarbeit hinterfragt werden könnten. Das Thema konnte damals nicht vertieft werden, es ist aber auch nicht verschwunden.
Es gibt zahlreiche Projekte in Brasilien, die aus dem Wunsch entstanden sind, mit praktischer Hilfe Not zu lindern. Beispielhaft steht dafür das Projekt Monte Azul, wo das Engagement einer Europäerin und europäische Spendengelder zu realen Veränderungen in einer Favela beigetragen haben, ohne dabei die realen Machtverhältnisse permanent zu kritisieren. Ist es deshalb abzulehnen? Und wie ist es einzuschätzen?
Die Bewegung der von Staudammbauten Betroffenen hält ein Plädoyer für internationale Solidarität. Sie weist darauf hin, wie wichtig diese für ihre Arbeit war und ist. Neben der Stärkung ihrer Arbeit erwuchs aus dieser empfangenen Solidarität die Möglichkeit, internationale Zusammenarbeit in größerem Umfang zu organisieren. Ähnlich wie viele Projekte hier, hat die Nachrichtenagentur Pulsar mit Finanzierungsengpässen und Existenznot zu kämpfen. Mit internationaler – auch finanzieller – Unterstützung gegründet, müssen jetzt Antworten gefunden werden, um aus Abhängigkeiten zu entkommen, ohne dadurch das kritische Arbeiten gegen vorherrschende Wirtschafts- und Politikmodelle zu gefährden oder sich von der Bürokratie erdrücken zu lassen.
KoBra begleitet als Netzwerk der Brasiliensolidarität keine eigenen Projekte in Brasilien. Stattdessen sehen wir es als Aufgabe des Netzwerks, über Informations-, Vernetzungs- und Kampagnenarbeit die Anliegen der sozialen Bewegungen in Brasilien von hier aus zu unterstützen. Auch diese Aussage kann man kritisch hinterfragen. Wo ist dieser solidarische Ansatz aus postkolonialer Sicht in Gefahr, paternalistisch daher zu kommen?
Eine Auseinandersetzung mit dem internationalen Solidaritätsbegriff aus postkolonialer Sicht stellt bisherige Standpunkte in Frage. Sie verweist deutlich auf Verantwortung für politische Veränderungen, die wir hier bei uns suchen und wahrnehmen müssen. Es geht nicht primär darum, zu helfen oder Expertenwissen zu verbreiten, sondern globale Kämpfe weltumspannt zu begleiten und voranzutreiben.
Die mexikanischen Zapatistas gehen kritisch und reflektiert mit internationaler Solidarität um. Ein Selbstbewusstsein, das hier positiv aufgenommen wurde und zu einer Neupositionierung der eigenen Rolle beigetragen hat.
Das entwicklungspolitische Engagement der brasilianischen Regierung in afrikanischen Ländern läuft offiziell ebenfalls unter dem Begriff „Internationale Solidarität“ - der Export eines fragwürdigen Entwicklungsmodells im Rahmen der Süd-Süd-Kooperation muss kritisch beleuchtet werden.
Schon allein dieser kurze Überblick macht deutlich, dass es sich durchaus lohnen kann, Solidarität (neu) zu diskutieren.
Dabei kann es für jede*n einzelne*n, der*die innerhalb des KoBra-Netzwerkes organisiert ist, spannend sein, Reflexionen über den Solidaritätsbegriff anzustellen und gemeinsam zu versuchen Rückschlüsse für die eigene Arbeit daraus zu ziehen. Wir werden auch auf der Frühjahrstagung vom 17.-19. April 2015 in Niederkaufungen kein immer gültiges Rezept für Solidarität finden, aber unsere Rollen und Beziehungen neu justieren. Wir laden herzlich dazu ein, mitzudiskutieren.