Der Folterer Carlos Alberto Brilhante Ustra ist in Brasília gestorben
Einer der berüchtigsten Folterer der brasilianischen Militärdiktatur, Carlos Alberto Brilhante Ustra, ist am 15. Oktober gestorben. Strafrechtlich war er nie zur Verantwortung gezogen worden. Zivilrechtlich wurde in mehreren Instanzen den Klägerinnen und Klägern der Familie Teles, die von ihm gefoltert worden waren, das Recht zugesprochen worden, den Folterer Ustra als Folterer bezeichnen zu dürfen.
Es war der Krebs, der ihm das Leben nahm, es war der Krebs, der nun verhindert hat, die zivilrechtliche Feststellungsklage über die Frage, den Folterer Ustra als Folterer bezeichnen zu dürfen, in allerletzter Instanz vor Brasiliens Obersten Gerichtshof zu klären. Am 15. Oktober verstarb Ustra in einem Krankenhaus in Brasília.
Coronel Carlos Alberto Brilhante Ustra war in den 1970er Jahren Chef des berüchtigten Folterzentrums "Sonderkommando für Informationsoperationen -- Zentrum für Untersuchungen der inneren Verteidigung" (DOI-CODI) in São Paulo gewesen. Zwischen September 1970 und Januar 1974 war Ustra unter dem Codenamen "Major Tibiriçá" Leiter des DOI-CODI. Im Jahre 1972 hatte er dort Maria Amélia de Almeida Teles und ihren Mann, César Augusto Teles, gefoltert. Die Schwester Amélias, Criméia Schmidt de Almeida, und die beiden kleinen Kinder des Ehepaars, vier und fünf Jahre alt, wurden auch dorthin verbracht. Criméia de Almeida, die damals im siebten Monat schwanger war, wurde ebenfalls gefoltert. Den Kindern wurden die Eltern gezeigt, die wegen der erlittenen Folter laut Aussage der Kinder nicht wiederzuerkennen waren, obschon sie wussten, dass es ihre Eltern waren, so die Aussage des Sohnes, Edson Teles. Der ebenfalls verhaftete Carlos Nicolau Danielli, damals führendes Mitglied der verbotenen Kommunistischen Partei von Brasilien, PCdoB, wurde im DOI-CODI zu Tode gefoltert.
Da das Amnestiegesetz in Brasilien die strafrechtliche Bearbeitung von Taten aus der Zeit der Militärdiktatur verhindert, hatte die Familie Teles sich im Jahre 2005 entschieden, den Weg der Zivilklage zu beschreiten. Das Recht, den Folterer Folterer nennen zu dürfen, sollte per Feststellungsklage erfolgen. Eine solche Feststellungsklage beinhaltet keine Bestrafung des Täters, sondern allein die Klärung der Frage, ob Coronel Carlos Alberto Brilhante Ustra öffentlich als Folterer bezeichnet werden darf. Im August 2012 hatte der Justizgerichtshof von São Paulo in zweiter Instanz das Recht der Familie Teles bestätigt, den Coronel Carlos Alberto Brilhante Ustra als Folterer zu bezeichnen. Damit hatte das Gericht die Berufung des Ex-Militärs gegen das Urteil aus dem Jahre 2008 in zweiter Instanz abgelehnt. Brilhante Ustra war im Oktober 2008 gegen das erstinstanzliche Urteil in Berufung gegangen. Bereits damals hatte das Gericht in São Paulo der Familie Teles das Recht zugestanden, Ustra öffentlich einen Folterer nennen zu dürfen. Der Oberste Justizgerichtshof Brasiliens hatte im August 2014 den Fall in dritter Instanz behandelt - und den Fall ans Oberste Gericht verweisen. Dieses sollte entscheiden, ob der Folterer Folterer genannt werden darf. Zu der Klärung dieser Frage kam es nun nicht mehr.
Genausowenig wie eine andere, diesmal strafrechtliche Frage nicht mehr abschliessend geklärt werden konnte. Im Jahr 2012 hatte die Bundesstaatsanwaltschaft von São Paulo eine weitere Anklage gegen Ustra (und gegen den Polizeihauptmann Dirceu Gravina) eingereicht. Die Anklageschrift warf den zwei Ex-Militärs vor, an der Entführung eines gegen die Militärdiktatur kämpfenden Aktivisten beteiligt gewesen zu sein. Die Staatsanwaltschaft warf Ustra und Gravina vor, 1971 Aluízio Palhano Pedreira Ferreira entführt zu haben.
Pedreira Ferreira war damals Mitglied der Widerstandsbewegung Vanguarda Popular Revolucionária. Ustra war Anfang der 1970er Jahre Chef des berüchtigten Folterzentrums DOI-CODI (Sonderkommando für Informationsoperationen – Zentrum für Untersuchungen der inneren Verteidigung) in São Paulo. Laut Informationen der Bundesstaatsanwaltschaft war Dirceu Gravina im DOI-Codi für Folterungen zuständig. Zeugenaussagen belasten Ustra und Gravina schwer: Demnach habe Gravina den Oppositionellen Aluízio Palhano Pedreira Ferreira unter der Aufsicht von Ustra brutal gefoltert. Pedreira Ferreira wurde zuletzt lebend im DOI-Codi gesehen, seither ist er einer der Verschwundenen des Militärregimes.
Da Pedreira Ferreira verschwunden blieb, ermögliche dies nach Ansicht der Staatsanwaltschaft die Anklage gegen Ustra und Gravina. Denn das Amnestiegesetz von 1979 verhindert jede juristische Aufarbeitung von Verbrechen der Militärdiktatur. Die Staatsanwaltschaft argumentierte, dass das Verbrechen anhalte – und ein fortwährendes Verbrechen müsse bestraft werden. Ähnlich waren die Staatsanwälte im März 2012 in weiteren Fällen gegen Ex-Militärs vorgegangen.
Aber noch immer wurde in Brasilien wurde bislang noch kein Mitarbeiter von Militär, Geheimdienst oder Polizei wegen Taten aus der Zeit der Militärdiktatur (1964-1985) strafrechtlich verurteilt. Das Amnestiegesetz verhindert das nach wie vor. Der Oberste Gerichtshof hatte die Gültigkeit des Amnestiegesetzes erst 2010 erneut bestätigt.
So auch im Fall der Klagen gegen Ustra und Gravina wegen der anhaltenden Straftat des Entführens und Versteckens der (mutmaßlich) sterblichen Überreste von Aluízio Palhano Pedreira Ferreira. Die Richter hatten die Klage erst- und zweitinstanzlich abgelehnt.
Der Weg für Wahrheit und Gerechtigkeit in Brasilien ist noch immer ein langer. Und im Fall Ustra käme er nun zu spät.