Die Deutsche Bahn in Amazonien? Bahnprojekt bedroht lokale Gemeinschaften
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- Die Deutsche Bahn in Amazonien? Bahnprojekt bedroht lokale Gemeinschaften
- 2024-05-30T19:00:00+02:00
- 2024-05-30T23:59:59+02:00
- Informations- und Diskussionsveranstaltung mit zwei Vertreter*innen der Menschenrechtsorganisation Justiça nos Trilhos, Flávia da Silva Nascimento und Mikaell de Souza Carvalho, aus Maranhão, Brasilien Sprache: Portugiesisch mit Verdolmetschung ins Deutsche
- Wann 30.05.2024 von 19:00 (Europe/Berlin / UTC200)
- Wo Rosa-Luxemburg-Stiftung, Straße der Pariser Kommune 8A, 10243 Berlin
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Gemeinsam veranstaltet von Rosa-Luxemburg-Stiftung, Rettet den Regenwald, Red Iglesias y Minería, KoBra, FDCL
Zum Hintergrund:
Drei portugiesische Geschäftsleute planen im Amazonasgebiet von Brasilien den Bau eines Exporthafens samt Eisenbahnverbindung. Das geplante Projekt Grão Pará Maranhão (GPM) im Bundesstaat Maranhão sieht die Errichtung eines privaten Tiefseehafens samt Terminals – Terminal Portuário de Alcântara (TPA) auf der kleinen Insel Cajual am Atlantik vor. Von dort sollen Rohstoffe wie Soja, Erze und Wasserstoff für den Export verschifft werden, um den Rohstoffhunger Chinas, Europas und der USA zu befriedigen.
Über eine ebenfalls geplante private 520 km langen Eisenbahnlinie (EF-317) zwischen Açailândia im Landesinneren und Alcântara am Atlantik sollen die Rohstoffe zu dem Hafen transportiert werden. Im Januar 2023 hat die Deutsche Bahn (DB) ein Memorandum of Understanding mit GPM unterzeichnet. Es sieht die Beteiligung der DB ECO Group an dem Projekt als sog. „Shadow Operator“ vor. Die Bahnlinie wird keine Personen-, sondern eine Gütertransportstrecke.
Der westliche Teil von Maranhão, wo die Bahntrasse und der Hafen geplant sind, entfällt auf das Amazonasgebiet und das Umweltschutzgebiet Reentrâncias Maranhenses. Dieses ist auch ein nach der Ramsar-Konvention geschütztes Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung. Entlang der Küste von Maranhão und dem benachbarten Bundesstaat Pará einschließlich der Amazonasmündung erstreckt sich das weltweit größte noch intakte Mangrovenwaldgebiet. Es ist der Lebensraum einer enormen Artenvielfalt, darunter sehr viele bedrohte Arten wie die prächtigen Scharlachsichler (Eudocimus ruber), die auf der Insel Cajual eine wichtige Brutkolonie haben. Der östliche Teil von Maranhão ist dagegen von der ebenfalls artenreichen und bedrohten Cerrado-Savanne bedeckt.
Die Menschen im Projektgebiet wurden über das Vorhaben nicht informiert und sind weitgehend ahnungslos über dessen Auswirkungen. Das Vorgehen verletzt das Recht der indigenen Gemeinden auf Konsultation und freie, vorherige und informierte Zustimmung (FPIC). So sieht es die Konvention 169 der internationalen Arbeitsorganisation vor, eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, die sowohl Brasilien als auch Deutschland unterzeichnet haben.
Die Güterbahnlinie wird 21 Gemeinschaften1 durchqueren. Auch drei Quilombola-Gebiete2 sind von der Bahntrasse direkt betroffen. Quilombolas sind Nachfahren versklavter Menschen aus Afrika, die in Brasilien besonderen Schutz genießen. Zudem wird die Strecke der Bahnlinie direkt durch 16 Agrarreformsiedlungen hindurchführen, d.h. durch Gebiete des brasilianischen Staates, die ausschließlich für die produktive Tätigkeit von kleinbäuerlichen Familien bestimmt sind.
Die Bahnlinie EF-317 wird zudem voraussichtlich sehr nah an sechs indigenen Gebieten3 verlaufen. In Awá, Caru, Alto Turiaçu und Arariboia gibt es eine offiziell anerkannte Präsenz indigener Gruppen in freiwilliger Isolation. Die unkontaktiert lebende indigene Bevölkerung ist bereits durch andere Faktoren ernsthaft bedroht, wie das Eindringen illegaler Holzfäller in die Wälder, die kriminelle Abholzung durch große Viehzüchter und Sojaproduzenten und das Eindringen illegaler Bergleute. Darüber hinaus ist ein Teil dieser indigenen Gebiete bereits von der Carajás-Eisenbahn des Bergbaukonzerns Vale betroffen.
Maranhão ist der Bundesstaat mit einer der höchsten Raten an Gewalt und Morden an der indigenen Bevölkerung. Der Bau einer neuen Trasse und eines neuen Exporthafens wird den Druck auf die bestehenden Landflächen – und somit die Zahl der blutigen Landkonflikte – weiter zuspitzen.
Die GPM argumentiert, dass die Bahnlinie mehr als 10 Kilometer von indigenem Land entfernt verlaufen wird und dieses daher nicht beeinträchtigt werde. Diese Prämisse ist laut einer Entscheidung des Bundeslandesgerichts TRF falsch und nicht anwendbar. Laut dem Obersten Gerichtshof Brasiliens gelten nicht nur Bauwerke, die indigenes Land durchqueren oder tangieren, als Auswirkungen, sondern alle Baumaßnahmen, die schädliche Auswirkungen haben können, wie z. B. ein erhöhter Druck auf die Gebiete, Schäden an ihren Wäldern, Gewässern, der Luftqualität usw.
Über die Organisation Justiça nos Trilhos (JnT)
Justiça nos Trilhos (JnT) wurde im Jahr 2007 zunächst als Kampagne gegründet, um die von der Bahnstrecke Estrada de Ferro Carajás (EFC) betroffenen Gemeinschaften miteinander zu vernetzen. Diese ebenfalls private Gütereisenbahnlinie wird von dem brasilianischen Bergbaukonzern Vale betrieben. Sie reicht von der weltgrößten Eisenerzlagerstätte Carajás im Amazonasregenwald bis zum Exporthafen am Atlantik bei São Luís. Vale missachtet seit Jahrzehnten die Grundrechte der von der Bahnlinie durchschnittenen Gemeinschaften. Dagegen vernetzt Justiça nos Trilhos die Bewohner*innen, organisiert Treffen und Veranstaltungen, unterstützt die Bewohner*innen bei der Selbstorganisation, gibt mit ihren Anwält*innen hilfreiche Rechtsberatung und verklagt auch schon mal im Namen der Betroffenen die verantwortlichen Firmen und den Staat.
1Alcântara, Bequimão, Peri Mirim, Palmeirândia, São Bento, São Vicente Ferrer, Olinda Nova do Maranhão, Matinha, Viana, Pedro do Rosário, Penalva, Monção, Zé Doca, Governador Newton Bello, Alto Alegre do Pindaré, Santa Luzia, Buriticupu, Bom Jesus das Selvas, Amarante do Maranhão, São Francisco do Brejão und Açailândia
2Tanque de Valença, Quilombo Alcântara und Aguiar
3 Awa, Caru, Pindaré, Alto Turiaçu, Arariboia und Akroá Gamella