Ricardo Salles kommt - der brasilianische Umweltminister auf Reisen

Am 30. September kommt Salles nach Deutschland und wird deutsche Konzerne aber auch die Minister*innen Müller und Schulze treffen.
| von Thomas Fatheuer
Ricardo Salles kommt - der brasilianische Umweltminister auf Reisen
Ricardo Salles. Foto: Palácio do Planalto from Brasilia, Brasil • CC BY 2.0

Foto: Palácio do Planalto from Brasilia, Brasil • CC BY 2.0

 

Immerhin – Salles stellt sich einem internationalen Dialog – und wird sich viel Kritik anhören müssen. Im Vorfeld der Reisen in die USA und nach Europa hat Salles ein Hauch von Selbstkritik hören lassen: die brasilianische Regierung hätte Fehler in der Kommunikation begangen. Ah, nicht die Feuer und ansteigende Entwaldung, nicht die Gewalt gegen Indigene, sondern die unvollkommene Kommunikation ist das Problem. Brasilien habe es nicht verstanden, sich selbst als Vorreiter im Umweltschutz darzustellen.

Bolsonaro und seine Regierung haben aber auch nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie Umweltschutz als ein Entwicklungshindernis betrachten. Und die Ernennung von Ricardo Salles zum Umweltminister war und ist ein klares Signal, in welche Richtung es gehen soll. Die ursprünglichen Pläne, das Umweltministerium abzuschaffen, wurden zwar bald wieder aufgegeben. Nicht weil plötzlich Bolsonaro die Bedeutung von Umweltpolitik entdeckt hätte, sondern weil das Agrarministerium nicht die Beamten und Aufgaben der Umweltministeriums übernehmen wollten. Also wurde ein Umweltmister gesucht und gefunden, der mit dem politischen Projekt Bolsonaros kompatibel ist. Tatsächlich hat der gelernte Jurist Salles bereits als Staatssekretär für Umwelt im Bundesstaat São Paulo gedient – und ist dabei wegen Amtsmissbrauch rechtsgültig verurteilt worden. Er hatte Landkarten geändert, um eine Lizenz für ein Bergbauunternhmen in einem Schutzgebiet zu ermöglichen. Dies war in der Tat eine großartige Empfehlung für Bolsonaro.

Aber es geht dabei nicht um einzelne Verfehlungen oder Maßnahmen. In einem Interview im Sender Joven Pan erklärte Salles auch als Amtsinhaber sein grundsätzliches Credo: Ökologische Nachhaltigkeit muss der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit folgen.

 

Salles in Aktion: Demolieren als Mission

 

Die Aktionen des Ministers sprechen eine deutliche Sprache, hier nur drei Beispiele:

 

  • Eine der ersten Aktionen von Salles war die Auflösung der Secretaria de Mudanças Climáticas, des Sekretariats für Klimafragen. Von einer Klimapolitik des Umweltministeriums (MMA) ist seither nichts zu sehen. Daher kann das formale Verbleiben im Pariser Klimaabkommen nicht als positiv bewertet werden.

  • Die Umweltbehörde IBAMA hat deutlich weniger Geld (-24%) zu Verfügung. Das führte zu einer Reduzierung der Kontrolloperationen in Amazonien und den verhängten Strafen.

  • Salles hat den Amazonasfond blockiert. Hintergrund ist das erklärte Misstrauen gegen NGOs. Salles will die von Norwegen (über ein Milliarde Euro!) und im geringeren Umfang auch von der deutschen Regierung zur Verfügung gestellten Gelder nur noch für Regierungen und privaten Sektor verwenden – obwohl gerade die Kooperation mit NGO und indigenen Organisationen in den letzten Jahrzehnten viele Erfolge gerade in der Konsolidierung von Schutzgebieten aufweisen konnte.

 

Der Präsident Bolsonaro selbst hat durch zahlreiche Äußerungen gegen die Umweltbehörden und gegen Strafen die Erwartung von Straffreiheit geweckt. Die Ergebnisse dieser fatalen Doppelspitze sind eindeutig: Die Entwaldung in Amazonien ist 2019 deutlich (um etwa 50%) gestiegen – die Feuer in Amazonien zeigen dies der ganzen Welt. Brasilien wird sein selbst formuliertes Ziel, die Entwaldung bis 2020 auf 3.925 km² zu reduzieren, nicht erreichen. Wahrscheinlich wird die jährliche Entwaldung auf über 10.000 km² ansteigen (2018: 7.500 km² ).

Extreme Besorgnis ist angesichts der Pläne der brasilianischen Regierung angebracht: Sie hat zum einen die Legalisierung von Bergbau in indigenen Gebieten zum Ziel erkoren. Zum anderen hat Bolsonaro deutlich erklärt, dass die Regierung eine Überprüfung von indigenen Territorien und Schutzgebiete vornehmem wird, mit dem Ziel, sie zu verkleinern. Seine Anklagen gegen Schutzgebiete hat Bolsonaro auch nach den Feuern in Amazonien wiederholt. Gerade Walschutzgebiete haben sich aber in der Vergangenheit als wirksame Barriere gegen Entwaldung erwiesen.

Aber angesichts all dessen, mit welcher Botschaft reist Salles um die Welt? Dazu zwei Zitate:

„Brasilien ist das Land, das am meisten Wald in der Welt schützt und hat nichts zu lernen von denen, die ihre Wälder schon abgeholzt haben.“

„Europa wird die Pariser Klimaziele nicht erreichen, das haben sie schon erklärt und keiner sagt was. Und Brasilien, das seine Ziele erreichen wird, steht als Bösewicht da.“

Das Außenministerium hat Handreichungen für seine Botschaften herausgegeben, die genau in diese Richtung zielen. Brasilianische NGOs haben bereits Faktenchecks veröffentlicht. Es ist durchaus nicht so einfach:

Tatsächlich hat Brasilien viel mehr erhaltenen Wald, als die meisten Länder dieser Welt. Dies ist aber kein Resultat konkreter Politik, sonder ein historisches Erbe, das Brasilien etwa mit der DR Kongo aber auch mit Finnland teilt. Der Waldbestand Brasiliens konzentriert sich auf das Amazonasgebiet, im Rest Brasiliens ist nur etwa 10% der Landfläche mit Wäldern bedeckt, deutlich weniger als in Europa. Der Tatbestand dieses historischen Erbes kann aber nicht als Begründung für dessen Zerstörung dienen. Seit 1992 hatte alle brasilianischen Regierung die Kontrolle und Reduzierung von Entwaldung zum Ziel. Dies scheint bei der Regierung Bolsonaro nicht mehr gegeben.

Brasilien erreicht bisher tatsächlich seine Pariser Klimaziele. Denn diese beziehen sich auf das Jahr 2005, als die Entwaldung enorm hoch war. In den Jahren danach hat Brasilien unter der Regierung Lula die Entwaldung tatsächliche drastisch reduziert. Diese Tendenz hielt bis 2012 an, seitdem hat sie sich umgekehrt und unter Bolsonaro noch verschärft. Geht dies weiter, wird Brasilien seine Klimaziele für 2015 nicht erreichen. Und die bisherigen Erfolge gehen eindeutig nicht auf das Konto der letzten Regierungen und werden von Bolsonaro nun demontiert.