Die Globalisierung der Gewässer im Nordosten
Die Interessen der multinationalen Stahlfirmen im Hafen von Pecém, Fortaleza, lassen daran keinen Zweifel mehr (Die Errichtung einer Stahlindustrie wie in Fortaleza setzte von Anfang an voraus, dass große Mengen an Wasser zur Verfügung stehen – die es dort bislang aber bislang nicht gibt. Diese können überhaupt nur durch das Ableitungsprojekt verfügbar gemacht werden. Anm. d. Red). Die Bundesregierung, einschließlich des Präsidenten, weiß das und weigert sich daher, Alternativen in Betracht zu ziehen. Sie stellt sich blind und taub.
Diese Umleitung ist die erste und weitere werden folgen. Das größte Vorhaben heißt “Canal do Sertaõ”: ein künstlicher Fluss zur Bewässerung von Zuckerrohrplantagen zur Ethanolproduktion mitten im pernambucanischen Sertaõ. Der Kanal soll aus dem Sobradinho-See abgeleitet werden. Dies ist ein Tauschgeschäft zwischen dem zuständigen Ministerium (Ministério da Integração Nacional) und der Regierung Pernambucos für dessen Unterstützung der Umleitung.
Der Kanal geht Sobradinho-See ab, fließt durch die Gemeinde Casa Nova und tritt dann in den Alto Sertaõ ein. Die Petrobrás hat bereits den Aufbau der Infrastruktur übernommen. Dies ist die Art und Weise, in der die Globalisierung der Gewässer im Nordosten in die Wege geleitet wird. Die Privatisierung des Wassers durch die Regierung Lula sollte bei der Volksabstimmung am 7. September genauso im Zentrum stehen, wie es auch die Privatisierung des Unternehmens Vale do Rio Doce durch Fernando Henrique Cardoso tut. Ich persönlich finde die erstere sogar perverser als die letztere.
An Freigaben und Übereinkünften zur Nutzung von Gewässern für diese Art Projekte wird es (seitens der Bundesregierung) nicht fehlen. Vor einigen Tagen debattierten Kleinbauern aus Espírito Santo über die Freigabe zur Nutzung (Anm. d. Red.: Die „Freigabe von Wasser“ ist ein öffentlich-rechtliches Konstrukt, mittels dessen die Staatsverwaltung die Nutzer ermächtigt, Wasser in ihrer Region für begrenzte Zeit und unter zuvor festgelegten Bedingungen zu ver wenden.) und sie versuchten auszumachen, welche Auswirkungen auf die Bewässerung ihrer Kaffeeplantagen zu erwarten sind. Sie fürchten die Zukunft – völlig zu recht. Die Großprojekte im Sertaõ werden in kürzester Zeit die Reste der freizugebenden Wassermengen verschlingen.
Und mit dem Wasser werden die besten landwirtschaftlich nutzbaren Flächen des Sertaõ verschwinden. Was für bessere Zwecke, wie den Anbau von Nahrungsmitteln, genutzt werden könnte, wird zur Betankung japanischer Autos verbraucht werden. Und so werden in einer der ärmsten Regionen, mit einem der weltweit schlechtesten „Human Development Indexes“, die fruchtbarsten Böden und große Wassermengen für die Launen der Reichen und Habgierigen der Gesellschaft zur Verfügung gestellt, während die ansässige Bevölkerung immer noch keine Wasserleitungen in den Häusern hat, um wenigstens sicher über eine Menge von 40 Litern Wasser pro Tag zu verfügen. Diese Menschen werden die Arbeitskräfte auf den Zuckerrohrplantagen sein. Das bedeutet kräftezehrende Arbeit unter sklavenähnlichen Bedingungen. Die Flächen und Gewässer könnten außerdem der Agrarreform zugute kommen.
Wenn in trockenen Gebieten 70 Hektar Land notwendig sind, damit eine Familie in Würde von eigener Arbeit leben kann, sind es an Flussufern, in bewässerten Gegenden, 2 bis 4 Hektar. Folglich könnten auf 140.000 Hektar 70.000 Familien angesiedelt werden, das entspricht etwa 350.000 Personen. Dasselbe gilt für das Projekt Jaíba in Minas Gerais für dessen 100.000 brachliegende Hektar immense öffentliche Investitionen zum Fenster hinaus geworfen wurden. Hier könnten weitere 50.000 Familien Platz finden.
Die Bewässerung durch die Umleitung des São Francisco kann – laut Embrapa Semi-árido (staaatliches Forschungsunternehmen für Ackerbau und Viehzucht) - nur 2% der semiariden Gebiete Brasiliens erreichen, selbst mit modernsten Techniken zur Nutzung von Wasser und Boden. Wenn man jedoch darauf besteht, dieses Potential zu nutzen, könnte es besseren Zwecken dienen. In nicht allzu großer Entfernung leben 200.000 Familien, die an Straßen ihre Lager aufgeschlagen haben.
Der brasilianische Präsident fühlt sich wie ein Gott. Es ist der Mythos des „grünen Saudi-Arabiens“, der die Sinne der brasilianischen Amtsträger vernebelt. Wir haben eine andere Regierung und einen anderen Präsidenten, nicht aber eine andere Qualität der brasilianischen Entwicklung. Sie bleibt weiterhin ungerecht und ethisch pervers.