Pestizide aus der Luft - per Drohne im Bundesstaat Ceará wieder erlaubt

Das im brasilianischen Bundesstaat Ceará seit 2019 geltende Verbot der Luftbesprühungen von Agrarflächen mit Pesiziden wurde im Dezember von der Landesregierung, die die Arbeiter:innen-Partei PT stellt, durch eine vom Gouverneur, Elmano de Freitas (PT), selbst eingebrachte Gesetzesinitiative deutlich verändert: nun darf das Agrobusiness die Agrarchemikalien wieder aus der Luft ausbringen - und zwar per Drohne.
| von Christian.russau@fdcl.org
Pestizide aus der Luft - per Drohne im Bundesstaat Ceará wieder erlaubt
"VORSICHT GIFT". Foto: christian russau

2019 hatte KoBra über den Erfolg berichtet: Das Verbot im nordostbrasilianischen Bundesstaat Ceará, Agrarflächen aus der Luft per Flugzeugen mit Agrarchemikalien zu besprühen. Am 19. Dezember vergangenen Jahres aber hat Cearás Gouverneur, Elmano de Freitas von der Arbeiter:innenpartei PT, den Gesetzentwurf gebilligt, der das Sprühen von Pestiziden mit Drohnen, ferngesteuerten Flugzeugen oder unbemannten Luftfahrzeugen in dem Bundesstaat erlaubt. Mit dem von Freitas und dem Abgeordneten Felipe Mota (União Brasil) verfassten Gesetzentwurf wird somit das 2019er-Gesetz massiv ausgehöhlt. Dieses 2019er-Gesetz - "Zé Maria do Tomé" genannt -, verbietet das Sprühen von Pestiziden aus der Luft und machte Ceará zum ersten brasilianischen Bundesstaat, der diese Art von Verbot festlegte. Und obwohl dieses 2019er-Verbotsgesetz vom Obersten Gericht Brasilien, dem STF, im Mai letzten Jahres explizit für verfassungskonform erklärt wurde, als das Gericht die Klage des brasilianischen Landwirtschafts- und Viehzuchtverbands CNA mit der Begründung abwies, dass das Gesetz eben dem "Schutz der Gesundheit und der Umwelt" diene, wurde das "Zé Maria do Tomé"-Gesetz nun durch den Gouverneur von Ceará ausgehebelt durch den von nun an erlaubten Einsatz von Drohnen zur Luftbesprühung mit Pestiziden in Ceará. Der Name des Gesetzes war eine Anspielung auf den Bauern José "Zé" Maria, einen Umweltschützer und Gemeindeführer, der ermordet wurde, nachdem er sich gegen den so genannten "Giftregen gewehrt hatte. Zé Maria war einer der Verantwortlichen für die Bewegung, die 2009 in dem ersten kommunalen Gesetz gipfelte, das die Versprühung von Pestiziden aus der Luft in der Stadt Limoeiro do Norte im Bundesstaat Ceará verbot. Im darauffolgenden Jahr wurde Zé Maria überfallen und erschossen (KoBra berichtete)

Laut dem Bericht der Landpastoral CPT wurde über den neuen Gesetzesvorschlag im Landesparlament von Ceará in nur wenigen Stunden debattiert und verabschiedet. Das Gesetz 19.135 weist nun gleich in Artikel 1 darauf hin: "Art. 28-B. Das Versprühen von Pestiziden aus der Luft ist in der Landwirtschaft des Bundesstaates Ceará verboten, es sei denn, es wird mit ferngesteuerten Flugzeugen, unbemannten Luftfahrzeugen oder Drohnen durchgeführt." Dabei war das "Zé Maria do Tomé"-Gesetz von dem heutigen Gouverneur, Elmano de Freitas selbst, der damals noch Abgeordneter war, in parteiübergreifender Zusammenarbeit mit Abgeordneten anderer Parteien ausgearbeitet worden.

Die für öffentliche Gesundheit zuständigen Institutionen Abrasco und Fundação Oswaldo Cruz (Fiocruz) hatten noch am gleichen Tag kurz zuvor eine Dringlichkeitserklärung veröffentlicht, in der sie auf die Bedeutung des seit 2019 bestehenden Gesetzes 16.820/19 zum Verbot von Luftbesprühungen hinwiesen und erklärten, dass dieses Verbot dem Schutze der öffentlichen Gesundheit und der Umwelt diene: "Aufgrund der Praxis des Versprühens von Pestiziden aus der Luft in einigen Regionen des Landes kam es häufig zu Unfällen, durch die traditionelle Gemeinschaften und Kinder in Mitleidenschaft gezogen wurden, wie in den Technischen Mitteilungen von Fiocruz-Ceará (2015) und der Technischen Mitteilung von Fiocruz über das Verbot des Versprühens von Pestiziden aus der Luft in Ceará nachgewiesen wurde. Speziell im Bundesstaat Ceará wurde diese Praxis von großen landwirtschaftlichen Betrieben durchgeführt, die verschiedene bäuerliche Gemeinschaften betrafen, wie in der Region Chapada do Apodi, was zu akuten und chronischen Vergiftungen, Krebs, angeborenen Missbildungen, Störungen des Hormonsystems und anderen Gesundheitsproblemen führte, die aus veröffentlichten wissenschaftlichen Studien hervorgehen".

Dass die Pestizidluftversprühung durch Drohnen nicht harmloser ist als per Flugzeug, zeigen neueste Erhebungen aus dem Bundesstaat Maranhão: Ländliche Gemeinden in Maranhão erklärten unlängst - so berichten es die Investigativ-Journalist:innen von Repórter Brasil, dass Drohnen als Instrument der Einschüchterung und zur Vertreibung von Bauernfamilien eingesetzt werden. Nach Angaben von Anwält:innen, die die Fälle überwachen, werden die Beschwerden jedoch nicht untersucht. Aus bislang unveröffentlichten Daten, die Repórter Brasil vorliegen, geht hervor, dass 228 Gemeinden in 35 Bezirken des Bundesstaates Maranhão zwischen Januar und Oktober 2024 eine Verunreinigung durch Pestizide gemeldet haben. In 214 Fällen (94 Prozent) handelte es sich um Angriffe durch Drohnen. Die Daten wurden von der Landarbeiter:innengewerkschaft Fetaema des Bundesstaates Maranhão sowie dem Agrarökologischen Netzwerk Rama von Maranhão) und der Bundesuniversität von Maranhão gesammelt. Die Beschwerden reichen von Vergiftungen von Menschen bis hin zu Umweltschäden, wie der Vergiftung von Flüssen und dem Tod von Tieren.

Dabei setzen sich die lokalen Gemeinschaft zur Wehr, auch durch politischen Druck von unten. Neun Gemeinden in Maranhão haben bereits Gesetze verabschiedet, die das Sprühen aus der Luft verbieten. Darüber hinaus hat das RAMA-Netzwerk zusammen mit Organisationen, die mit der katholischen Kirche verbunden sind, im vergangenen April eine Kampagne gestartet, um ein staatliches Gesetz über eine Volksinitiative gegen diese Praxis zu schaffen. Doch die Reaktion der Landesplitik kam dem Repórter Brasil-Bericht zufolge schnell. Einen Monat später wurde in der gesetzgebenden Versammlung von Maranhão ein Gesetzentwurf eingebracht, der das Sprühen aus der Luft im Bundesstaat erlaubt. "Das war kein Zufall, sondern eine Reaktion auf die Beschwerden", sagt Diogo Cabral, Fetaemas Anwalt. Der Anwalt Cabral hatte im vergangenen Jahr einen Hintergrundtext für KoBra geschrieben, in dem er und sein Kollege, der Universitätsprofessor Ronaldo Sodré, auf die akute Brisanz der Land- und Umweltkonflikte in Maranhão hinwiesen. Dennoch sieht Anwalt Cabral etwas Hoffnung. Denn selbst wenn der Gesetzesentwurf auf Landesebene angenommen werde, würden die restriktiveren kommunalen Gesetze weiterhin gelten, so Cabral. Er erklärt, dass diese lokalen Vorschriften der Auffassung des Obersten Gerichtshofes STF entsprechen, dass sowohl die Staaten als auch die Kommunen die Gesetzgebungskompetenz haben, um Richtlinien zum Schutz der Gesundheit und der Umwelt festzulegen, wie es bei der Anwendung von Pestiziden der Fall ist. Der Kampf um den Schutze der öffentlichen Gesundheit und der Umwelt geht also weiter, auf vielen Ebenen. Doch die Herausforderung ist riesig: Denn Brasilien ist noch immer wiederholter Weltmeister, doch dies ist ein weniger rühmlicher Titel - "Brasilien ist das Paradies der Agrargifte".  Dies lässt auch bei aus Deutschland stammenden Unternehmen wie Bayer und BASF nach wie vor die Kassen klingeln, auch wenn sie weiterhin Pestizide mit in der EU verbotenen Wirkstoffen in Brasilien weiter verkaufen dürfen. Dagegen zumindest etwas helfen würde ein Exportverbot von in der EU bereits verbotenen Pestizide seitens Deutschlands, so wie es im Koalitionsvertrag der "Ampel" eigentlich festgehalten wurde und wofür sogar ein entsprechender Referent:innenentwurf zur Ressort-Abstimmung vorgelegt wurde, der aber von der FDP verhindert wurde. 

// Christian Russau