Nächste Chance 2014
Fußball-WM 2014 in Brasilien! Alle Welt schaut auf das Land. In dem Jahr bietet sich auch die Möglichkeit, die Kooperation im Nukleargeschäft zwischen Deutschland und Brasilien endlich zu beenden.
Es war ein „Bombengeschäft“. So lautete auch der Titel einer Sondernummer der Lateinamerika Nachrichten aus dem Jahr 1980. In der Ausgabe ging es um das größte deutsches Exportgeschäft aller Zeiten. Seit nunmehr 38 Jahren kooperieren Deutschland und Brasilien in der Nukleartechnologie. Damals, in den 1970er Jahren blühten die deutsch-brasilianischen Wirtschafts- und Politik-Beziehungen regelrecht auf. Bereits der Außenminister der Großen Koalition, Willy Brandt, hatte im Juni 1968 während eines Brasilien-Besuchs den herrschenden Militärs das bundesdeutsche Interesse an einer Atomkooperation erklärt. Dies mündete zu Zeiten der sozial-liberalen Koalition 1975 in einem Abkommen zwischen Brasilien und der Bundesrepublik Deutschland zur Kooperation bei Nutzung der Kernenergie.
Deutschland stellt sich gerne als Vorreiter in der Überwindung der Atomenergie dar und verweist auf den „Atomausstieg“. Bis 2022 sollen alle kommerziellen Reaktoren abgeschaltet werden. Dies ist aber nur die halbe Wahrheit des „Atomausstiegs“: Nach 2022 wird weiter Uran aus aller Welt nach Deutschland geliefert. In den Anreicherungsanlagen der Urenco im westfälischen Gronau und der Brennelementefabrik der Areva-Tochter Advanced Nuclear Fuels (ANF) im niedersächsischen Lingen wird das radioaktive Material weiter verarbeitet und angereichert. Auch aus Brasilien treffen dort Lieferungen ein. Dies geschieht auf Basis des Atomabkommens von 1975. Deutschland wird weiter ein „Atomstaat“ sein.
Diesen erweiterten Blick auf die gesamte Produktionskette im Atomzyklus betont Cecilia Mello. Sie arbeitet beim brasilianischen Anti-Atom-Netzwerk Articulação Antinuclear Brasileira mit. „Wenn man den Atomkomplex kritisch betrachtet, darf man nicht nur auf die Atomkraftwerke achten. Es geht um den gesamten Atom-Zyklus, vom Uranabbau über die Weiterverarbeitung, die Nutzung im Atomkraftwerk bis hin zur ungelösten Frage des Atommülls. “Denn nicht nur die AKWs produzieren alles andere als „saubere“ Energie. Auch die Uranproduktion, wie sie beispielsweise in Lateinamerikas einziger Uranmine in Caetité im Nordosten Brasiliens erfolgt, ist schmutzig und bedroht Mensch und Natur, erklärte Mello im Interview mit LN. Und die Betroffenen wurden nie befragt oder angehört. „Dagegen setzen sich die Menschen in Caetité zur Wehr“, berichtet sie. Für Cecilia Mello und ihre Mitstreiter_innen ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen den gesamten Atomzyklus, die deutsch-brasilianische Atomkooperation endlich zu beenden. Dies wäre ein starkes politisches Signal, so die Articulação Antinuclear Brasileira.
2014 jährt sich das Abkommen zwischen Bonn und Brasília zum 39. Mal. Zum 18. November 2014 könnte es von einer deutschen Bundesregierung per diplomatischer Note gekündigt werden. Bei einer Kündigungsfrist von zwölf Monaten könnte so der Atomvertrag zwischen Deutschland und Brasilien zum 18. November 2015 auslaufen. Die Kampagne zivilgesellschaftlicher Initiativen und Organisationen dafür läuft in Brasilien und Deutschland derzeit an. „Denn 40 Jahre Atomkooperation sind genug!“, erklärt Barbara Happe von der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Urgewald aus Berlin.
// Christian Russau
Dieser Text erscheint in Kürze auch in der neuen Ausgabe der Lateinamerika Nachrichten, Ausgabe 473, November 2013.