Mordrate in Brasilien auf Höchststand seit zehn Jahren
Die Mordrate in Brasilien hat neuesten Erhebungen zufolge im Jahr 2012 einen neuen Höchststand erreicht. Laut Berechnungen der am 2. Juli veröffentlichten Studie "Atlas der Gewalt" des Sozialwissenschaftlers Julio Jacobo Waiselfisz wurden in Brasilien im Jahr 2012 56.337 Menschen Opfer eines Tötungsdelikts. Im Jahre 2002, dem ersten Jahr der Erhebungen durch den von Waiselfisz geleiteten Forschungsverbund zu Gewalt am Institut Flacso in Rio de Janeiro, wurden 49.695 Opfer eines Tötungsdelikts. Jugendliche im Alter von 15 bis 29 Jahren stellen laut den Wissenschaftlern dabei die größte Gruppe der Opfer der Gewalt. Wurden im Jahre 1980 statistisch noch 19,6 Jugendliche von 100.000 in der entsprechenden Altersgruppe Opfer eines Tötungsdelikts, so stieg deren Zahl 2012 bereits auf 57,6 im Jahr 2012. Die Auswertung der Daten durch die Forscher ergab zudem, dass im Vergleichszeitraum 2002 mit 2012 die Opferzahlen bei Weißen um 32,3% zurückgingen, während die bei der schwarzen Bevölkerung um 32,4% zunahmen.
Laut Waiselfisz lassen die erschreckenden Zahlen aber noch keinen Rückschluss über die Ursache dieses Anstiegs zu. Die Forscher wüssten noch nicht, so die Nachrichtenagentur Agência Brasil, "ob das, was 2012 passierte, eine statistische Anomalie ist, die sich schnell wieder legen wird, oder ob da bereits wirklich ein neuer Zyklus oder eine neue Tendenz sich abzeichnet", so Waiselfisz. Ob diese erhöhte Zahl gegebenenfalls an vermehrten Streiks von Polizeikräften oder an einer Zunahme der Konflikte im Zusammenhang des organisierten Verbrechens läge, so Waiselfisz, ließe sich nach derzeitigen Stand der Erkenntnisse nicht bestätigen.
Der Forscher bestätigte aber Zahlen, nachdem vor allem in den brasilianischen Bundesstaaten des Nordens und Nordostens die Gewaltraten am deutlichsten anstiegen. In den Bundesstaaten Amazonas, Pará und Tocantins hätten sich demnach die Tötungsdelikte zwischen 2002 und 2012 verdoppelt, in den Bundesstaaten im brasilianischen Nordosten, in Maranhão, Bahia und Rio Grande do Norte, hätten sich die Tötungsdelikte in dem gleichen Zeitraum gar verdreifacht. In den Millionenstädten des Nordostens läge zudem, so der Forscher gegenüber der Agência Brasil, die Mordrate unter jugendlichen Opfern bei über 100 je 100.000 Jugendliche. In Maceió, der Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaates Alagoas, liegt die Zahl der jugendlichen Opfer von Gewalt bei über 200 je 100.000 Jugendliche.
In Brasilien werden von den circa 50.000 Morden jedes Jahr nur 4.000 aufgeklärt und die Täter inhaftiert. Dies entspricht einer Mordaufklärungsrate von acht Prozent, wie der Sozialforscher Julio Jacobo Waiselfisz, Koordinator der Forschungsstudie Mapa da Violência, bereits 2011 errechnet hatte. Dem Sozialwissenschaftler zufolge liegt die Aufklärungsquote noch heute bei diesem Wert.