Erstmals Autonomie für indigenes Strafrecht
Dies teilte die Generalstaatsanwaltschaft (Advocacia-Geral da União, kurz: AGU) auf ihrer Internetseite mit. Das Gericht erklärte, da die vor Ort tätige indigene Justiz bereits ein Urteil verhängt hatte, könne der Staat nicht ein zweites Urteil verhängen, da dies sonst einer unbotmäßigen Doppeltbestrafung des Täters entspräche. Die brasilianische Verfassung sehe in Artikel 121 und Artikel 231 vor, dass ein solches Vorgehen rechtskonform sei, solange die von den indigenen Gemeinschaften verhängten Strafen nicht unverhältnismäßig, grausamen oder diffamierenden Charakters seien und keine Todesstrafe verhängt worden sei, da diese von der Verfassung her verboten ist.
In dem vorliegenden Fall hatte ein Mitglied der indigenen Gemeinschaft Manoá im indigenen Gebiet Manoá-Pium, in der Schutzreserver Raposa Serra da Lua im Bundesstaat Roraima, ein anderes Mitglied der Gemeinschaft getötet. Die Geminderäte der Manoá hatten dem Täter in einem ersten Urteil die Strafe auferlegt, der Ehefrau des Opfers ein Haus zu bauen und dass er sich ohne Erlaubnis der Gemeinschaft nicht aus dem territorium entfernen darf. In der zweiten Strafe der Gemeinderäte von Manoá, Anauá und Wai Wai wurde verfügt, dass der Täter aus der Gemeinschaft der Manoá für den Zeitraum von fünf Jahren ausgeschlossen wird. In diesem Zeitraum darf er das Territorium Manoá-Pium nicht mehr betreten, sondern muss während dieser Zeit Gemeinschaftsarbeit bei den Wai Wai abrichten. Deren Territoium darf er in dem vorgesehenen Zeitraum nicht verlassen, ist zudem verpflichtet, die Sprache und Kultur der Wai Wai zu erlernen, und darf während der fünf Jahre keinerlei Produkte ohne Erlaubnis der Wai Wai verkaufen oder handeln. Alle Urteile erfolgten im Einklang mit dem Indigenen-Statut des brasilianischen Staates. Dieser Ansicht folgte auch die Generalstaatsanwaltschaft. Der Bundesstaatsanwalt Danilo Gouveia de Lima kommentierte diese für die brasilianische Justiz bisher einzigartige Entscheidung. "Zum ersten Mal hat der brasilianische Staat den indigenen Gemeinschaften im Strafrecht Autonomie zugestanden" und folge damit "vergleichbarer Rechtssprechungsentwicklungen wie zum Beispiel in den USA und Guatemala", so der Bundesstaatsanwalt.