Zisternenprogramm im Nordosten durch Haushaltskürzungen bedroht
Das für die Bevölkerung im brasilianischen Nordosten so wichtige Eine-Million-Zisternenprogramm, das die brasilianische Bundesregierung seit 2003 zusammen mit der lokalen Zivilgesellschaft durchführt, ist durch Haushaltskürzungen in Brasília derzeit akut bedroht. Im September hatte die Ministerin für Soziale Entwicklung und Bekämpfung des Hungers, Tereza Campello, mitgeteilt, dass in den kommenden zwölf Mnaten, also bis August 2016, 100 Millionen Reais (umgerechnet 25 Millionen Euro) dafür zur Verfügung gestellt würden. Mit diesem Betrag könnten 31.000 Zisternen errichtet werden. Noch im Haushaltsjahr 2013 betrug die Förderung seitens des Bundes 350 Millionen Reais, mit denen rund 100.000 Zisternen errichtet werden konnten. "Wir arbeiten derzeit noch immer mit Mitteln aus 2014, neue Mittel für 2015 für den Zugang zu Wasser waren inexistent; die Haushaltskürzung hat all diese Mittel blockiert", erklärte Valquíria Lima, Koordinatorin des Netzwerks Articulação para o Semiárido (ASA), das das Programm des Zisternenbaus ausführt. Zwischen 2003 und 2015 wurden, etwas mehr als eine Million Zisternen installiert.
Dabei gibt es zwei konkurrierende Modelle. Während die im ASA-Netzwerk zusammengeschlossene Zivilgesellschaft das Mauern der Zisternen in gemeinschaftlicher Arbeit bevorzugt, hat die Regierung vor wenigen Jahren beschlossen, das Zisternerprogramm durch den Kauf vpn in Mexiko gefertigten Plastikzisternen zu beschleunigen. Die Kritik an diesem Ansatz blieb nicht aus: Anwohner/innen berichten, die Plastikzisternen würden dem Klima in der Region nicht standhalten. So würden die Plastikzisternen in der Sonne schmelzen. Dies berichtete der Vertreter der brasilianischen Landpastorale Comissão Pastoral da Terra (CPT), Roberto Malvezzi, gegenüber der Zeitung Correio da Cidadania im März 2012. Demnach hätten in der Gemeinde Cedro im Bundesstaat Ceará die "Plastikzisternen, für die die Regierung eine Lebensdauer von 15 Jahren angekündigt hatte, nicht einmal drei Monate der Sonne und den Regengüssen im Sertão standgehalten", so Malvezzi.
Das ASA-Netzwerk hingegen setzt auf eine andere Strategie, um der Trockenheit in der semi-ariden Zone der nordöstlichen Bundesstaaten Alagoas, Bahia, Ceará, Maranhão, Paraíba, Pernambuco, Piauí, Rio Grande do Norte, Sergipe sowie dem Norden von Minas Gerais zu widerstehen. Dort leben die Menschen seit Generationen mit der Dürre. Um sich von der landläufigen Ansicht eines „trockenen“ Nordosten Brasiliens abzugrenzen, nach welcher die Dürre bekämpft werden müsse, haben Basisgruppen über Jahre das Konzept der „Convivência com o semi-árido“, also das Konzept für das „Leben im Einklang mit dem halbtrockenen Klima“ entwickelt. Die Gruppen haben dann das Netzwerk „Artikulation des Semi-Árido“ (ASA) gegründet, in dem über 1.000 zivilgesellschaftlichen Gruppen vereinigt sind und das das Convivência-Konzept in die Praxis umsetzt. Zusammen haben sie bislang über 400.000 Zisternen gemauert und dabei auf gemeinschaftliche Nachbarschaftshilfe gesetzt. Die gemeinschaftliche Selbsthilfe durch den Zisternenbau ist deshalb eine Lösung für viele verschiedenen Probleme: Familien auf einsamen Grundstücken oder in abgelegenen Dörfern können ihre Wasserversorgung mit einer einzigen Zisterne, die das Regenwasser der wenigen Regenmonate im Jahr auffängt, ein ganzes Jahr lang sichern. Und der gemeinschaftliche Bau der Zisternen stärkt die Nachbarschaftshilfe und sichert das Einkommen der örtlichen Maurer/innen. Familien mit Zisternen werden unabhängig von örtlichen Politiker/innen und Landbesitzer/innen und müssen ihre Stimmen nicht länger für die lebensnotwendige Wasserversorgung verkaufen. Der Bau der Zisternen ist billig, sie können problemlos von den Familien selbst gewartet werden. Mit dem Bau von bereits 400.000 Zisternen ist das von Bundesmitteln unterstützte Programm eine der ganz großen Erfolgstorys der brasilianischen Zivilgesellschaft. Und das gerät jetzt durch die Vorgaben zur Haushaltskürzung in Gefahr.