Neue Regeln beim Genehmigungsverfahren für umstrittenen Tapajós-Staudamm
Laut Informationen der Tageszeitung Estado de São Paulo plant die Regierung in Brasília, beim geplanten Staudamm São Luiz do Tapajós in Itaituba im Bundesstaat Pará die bisher gültigen Vorschriften im offiziellen Genehmigungsverfahren zu ändern. Demnach sollen aus dem Genehmigungsverfahren die soziale Faktoren betreffenden Punkte wie beispielsweise Trink- und Abwasserver- und -entsorgung, Gesundheit, öffentliche Sicherheit und Bildung aus dem bisherigen Umweltgenehmigungsverfahren ausgegliedert und in einer neu zu schaffenden Institution, dem sogenannten Planungsgremium für nachhaltige regionale Entwicklung Plano de Desenvolvimento Regional Sustentável (PDRS) in der Tapajós-Region, behandelt werden. Dem Gremium sollen Regierungsvertreter aus Bund, Land und Gemeinden sowie Vertreter der Zivilgesellschaft angehören. Laut der Tageszeitung Estado de São Paulo soll durch die Auslagerung aus dem offiziellen Genehmigungsverfahren der Bau des 8 GW-Staudamm São Luiz do Tapajós beschleunigt werden. Kritiker sehen darin einen weiteren Angriff auf die in der Verfassung garantierten Rechte der vom Staudammprojekt betroffenen Bevölkerung.
Beim geplanten Staudamm São Luiz do Tapajós war es im vergangenen Jahr zu mehreren Verzögerungen wegen Unregelmäßigkeiten im Genehmigungsverfahren gekommen. Eigentlich sollte der Bau des Staudamms im Dezember in Form einer Lizenzversteigerung an den preisgünstigsten Bieter im Verfahren vergeben werden. Bei einer solchen Lizenzversteigerung reichen alle interessierten Firmen oder Firmenkonsortien ihre Angebote ein. Das Konsortium mit dem später günstigsten Preis je Megawattstunde erhält den Zuschlag für die Lizenz. Das Ministerium für Bergbau und Energie hatte aber überraschend am 16. September die für Mitte Dezember anberaumte Lizenzversteigerung des Tapajós-Staudamms abgeblasen. Die Begründung: "Die Rücknahme des Erlasses [zur Ausschreibung der Lizenversteigerung, Anm.d.Red.] ist durch die Notwendigkeit der Anpassung der die Indigenen betreffenden Studien begründet, obschon die Technische und Wirtschaftliche Folgenabschätzungsstudie EVTE sowie die Umweltfolgenstudie EIA/RIMA durch das Baukonsortium innerhalb der vorgesehenen Termine abgeschlossen wurde".
Selbst die konservative Tageszeitung Globo hatte bereits im September in einem Hintergrundbericht darauf verwiesen, dass der festgelegte Zeitraum für die Beurteilung des Staudammvorhabens durch die Bundesindigenenbehörde FUNAI denkbar kurz sei: Die vom Gesetz her vorgeschriebene Frist, die der FUNAI zur Analyse des die Indigenen betreffenden Teils der Umweltverträglichkeitsprüfung zusteht, hätte demnach 90 Tage nach Eingang der Studie bei der Behörde gedauert. Globo errechnete daraufhin, dass zwischen Abgabe der Stellungnahme durch die FUNAI und der Lizenzversteigerung so der Öffentlichkeit ganze vier Tage verblieben wären, sich selbst ein Bild zu machen. Gravierender noch sei, dass eigentlich erst nach Erscheinen der FUNAI-Stellungnahme die gesetzlich vorgeschriebenen öffentlichen Anhörungen abgehalten werden müssten, damit die betroffene Bevölkerung angemessen konsultiert werde.
Bereits im vorvergangenen Jahr hatten hunderte von Munduruku gegen die Staudammpläne der Regierung protestiert und dabei die Bauarbeiten des derzeit bekanntesten Staudammprojekts in der Region, Belo Monte, durch mehrfache Bauplatzbesetzungen zwischenzeitlich lahmgelegt.
Im Juni 2013 hatte die brasilianische Bundesregierung noch erklärt, die für Tapajós vorbereitenden Studien auszusetzen, nachdem die Munduruku die von Brasília in ihr Gebiet entsandten Wissenschaftler kurzzeitig als "Invasoren" ihres Landes festgesetzt hatten. Wenige Tage nach dieser Zusage äußerte der Vorsitzende der staatlichen Energieforschungsagentur Maurício Tolmasquim, dass Tapajós 15 Prozent größer als geplant werde. Binnen Monatsfrist hatte Brasília zudem die Wissenschaftler wieder vor Ort entsandt, diesmal bewacht durch Militäreinheiten.
Der Staudamm São Luiz do Tapajós ist mit acht Gigawatt nach Belo Monte mit elf Gigawatt der zweitgrößte der derzeit in Planung beziehungsweise in Bau befindlichen Staudämme in Brasilien. Beide Staudämme liegen im amazonischen Bundesstaat Pará. São Luiz do Tapajós soll jüngsten Schätzungen zufolge umgerechnet rund zehn Milliarden Euro kosten. Neben São Luiz do Tapajós plant Brasília den Bau von mehr als ein Dutzend weiterer Staudämme an den Flüssen in der Region Tapajos.