Die unerträgliche Leichtigkeit der Umweltverträglichkeitsprüfungen
In den Jahren seit Januar 1999 wurden in Brasilien 71 Staudämme fertiggestellt. Die Befürworter/innen der Staudämme und Wasserkraftwerke argumentieren gerne, die Staudämme könnten die von den Kritiker/innen beschworenen Umwelt- und sozialen Schäden gar nicht anrichten, da es ja bereits vorab umfangreiche Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) gebe. Die investigativen Journalist/innen der Agentur Agência Pública haben die UVPs und die involvierten Consultings etwas näher unter die Lupe genommen. Was dabei herausgekommen ist, spricht Bände.
Die großen Player in der brasilianischen Welt der UVP-Consultings sind drei Firmen: Engevix Engenharia, Leme Engenharia und CNEC WorleyParsons Engenharia. Diese drei erstellten für 42 aller 71 seit 1999 in Brasilien fertiggestellten Staudämme die Umweltverträglichkeitsprüfungen EIA-Rima. Die Journalist/innen von Agência Pública stellten noch mehr fest: Alle drei Consultings haben bei den Erstellungen mehrerer UVP zu Staudämmen Informationen unterschlagen, so zum Beispiel die Existenz von 6.000 Hektar Araukarierwalds oder gar die Existenz von indigenen Gruppen in den künftigen Flutungsgebieten. Oder UVP-Berichte wurden nach der Vorlage noch geändert, um die Beweismittelsuche nach Fehlern systematisch zu verschleiern. Alle drei Consultings müssen sich in mehreren Rechtsprozessen wegen der Unterschlagung von Informationen in den UVP verantworten.
So gerät eine UVP zur Farce, aber das Ziel der Consultings wird dennoch erreicht: Sie werden bezahlt, die Bauherren bekommen ihre UVP bescheinigt und das Bauprojekt kann starten. Die Gegebenheiten vor Ort, die Menschen, die Natur, das stört da eher. Die Leichtigkeit der UVP macht's möglich.
Alle drei Consultings verfügen über exklusive Beziehungen zu den brasilianischen Parteien. Alle drei Consultings haben den brasilianischen Parteien Millionenbeträge für deren Wahlkämpfe gespendet: Zwischen 2004 und 2014 haben die drei Consultings umgerechnet etwa knapp sieben Millionen Euro gespendet. So läuft das Geschäft wie geschmiert.
Alles nur ein rein innerbrasilianisches Problem? Engevix Engenharia ist ein brasilianisches Unternehmen, Leme Engenharia gehört zu Tractebel Belgien, also somit zur französischen GDF Suez, und CNEC WorleyParsons Engenharia wurde von den Australiern WorleyParsons aufgekauft.
CNEC ist im Geschäft der UVP keine Unbekannte. Bereits in den 1980er Jahren beteiligte sich die Firma an Erkundungsstudien für Staudammbauten an den amazonischen Flüssen Xingu (Belo Monte) und Tapajós ( São Luiz do Tapajós u.a.). 2010 wurde CNEC von der australischen Gruppe WorleyParsons gekauft – und CNEC war weiterhin zuständig für u.a. den Xingu und Tapajós. Im Jahr 2014 legte CNEC WorleyParsons Engenharia die UVP für den Tapajós vor.
Der Bericht erregte, so der Bericht von Agência Pública, das Mißfallen der Bundesumweltbehörde Ibama: Der Bericht habe in sich widersprüchliche Aussagen über die betroffenen Gebiete und Folgen und erteilte CNEC den Auftrag, den Bericht an 180 Stellen zu überarbeiten, mehr noch, der Bericht sei so nicht akzeptabel, weil fehlerhaft.
Doch mit all dem nicht genug: Die Consultings fungierten oft nicht nur als Consulting, sondern partizipieren mitunter auch an den von ihnen zuvor geprüften Projekten. Interessenskonflikte? Keine Spur. So hat Engevix Engenharia vollkommen im Einklang mit brasilianischer Rechtsprechung für den Staudamm Belo Monte die UVP erstellt – und Engevix Construções (von der gleichen Gruppe) hat hinterher zusammen mit Toyo Setal die elektromechanische Ingenieursdienstleistung für Belo Monte in Höhe von umgerechnet rund 300 Millionen Euro übernommen. Ein Schelm, wer Böses...